Ein Jahr elektronisches Rezept in der Regelversorgung

Wir haben bei zwei Apothekern nachgefragt, wie das E-Rezept bei ihnen vor Ort läuft und welche Mehrwerte im Versorgungsalltag sie sich noch erhoffen. 

„Das E-Rezept ist super“, findet Andreas Kuchler. Er ist Apotheker in Nordrhein-Westfalen und betreibt vier Apotheken. Seit vier Generationen in Familienbesitz, gibt es „Kuchler Apotheken“ mittlerweile in allen Duisburger Stadtteilen und dem Düsseldorfer Norden. Ein Traditionsunternehmen, das auf moderne Kommunikation im Gesundheitswesen setzt. Die Vorteile des elektronischen Rezepts liegen für Apotheker Kuchler auf der Hand: „Wir haben immer weniger Ärzte in der Versorgung und benötigen zunehmend Telemedizin. Auch viele chronisch Erkrankte brauchen fortlaufend ihre Medikation. In diesen und anderen Fällen bietet das E-Rezept einen echten Mehrwert.“ Allerdings findet Kuchler: „Es ist zu komplex gemacht.“ 

Mehr Klarheit in der Kommunikation

Eine Herausforderung, der er immer wieder begegnet, ist die Unsicherheit der Kundinnen und Kunden. Zu viele wüssten nicht, wo die Ärztin oder der Arzt das E-Rezept „hingeschickt“ hätte bzw. wann und wo sie es einlösen könnten. „Da wünsche ich mir eine bessere Arzt-Patienten-Kommunikation, damit die Menschen nicht unnötig und auch mit Unverständnis bei uns am Handverkaufstisch stehen und sich wundern, dass wir ihre Verordnung nicht sehen und ihnen ihr Medikament nicht aushändigen können.“ Usus sei es nämlich, so der Duisburger Apotheker, dass in den Praxen die E-Rezepte der laufenden Sprechstunde erst „in einem Rutsch“ mit Verzögerung signiert würden und die Menschen diese dann erst beispielsweise einen halben oder ganzen Tag später in der Apotheke einlösen könnten – dann nämlich, wenn Andreas Kuchler und seine Kolleginnen und Kollegen die signierten E-Rezepte über den Fachdienst, gewissermaßen eine sichere Cloud, über ihr System abrufen und anschließend die Medikamente aushändigen könnten. 

Andreas Kuchler, Apotheker

In vielen Fällen bietet das E-Rezept einen echten Mehrwert. Ich wünsche mir aber eine bessere Kommunikation.

Direkte Wege in der Heimversorgung

Mehr „Flow“ in der Versorgung wünscht er sich auch bei der Bereitstellung für Pflegeheime: Noch ist eine direkte Zuweisung von der heimversorgenden Praxis an die heimversorgende Apotheke gesetzlich nicht zugelassen. Die E-Rezepte müssen konzeptionell noch den „Umweg“ über das Heim nehmen. Das funktioniere zwar an sich gut, dennoch: „Wenn die rechtlichen Hürden abgebaut sind und Praxen uns die E-Rezepte direkt mailen können, dann ist das eine wirklich effiziente Digitalisierung, die Zeit, Wege und Administration spart.“ Hier spielt Andreas Kuchler auf den Dienst Kommunikation im Medizinwesen (KIM) an. Mit der sicheren KIM-Mail fürs Gesundheitswesen können sich Professionals im Gesundheitssystem über ein ebenfalls gesichertes Adressbuch für die Telematikinfrastruktur direkt mit anderen in Verbindung setzen. „Das hat Potential“, meint der Apotheker, und ist sich sicher: „Das wird kommen. Irgendwann muss man anfangen.“

Ja zu Automatisierung und Digitalisierung

Darauf hofft auch Robert Götz, der drei Apotheken in Oberbayern betreibt und dort im Alltag das Warenwirtschaftssystem der Firma CGM Lauer nutzt. Er beliefert rund 1.500 Pflegeheimbewohner mit Medikamenten und befürwortet klar die Direktzuweisung eines E-Rezepts mittels KIM von der Praxis an die Apotheke. Das sieht er auch im Hinblick auf den Versorgungsauftrag, den er und seine Mitarbeitenden haben, als wichtig an. Götz wünscht sich Erleichterung von digitalen Anwendungen: „Automatisierung und Digitalisierung sind großartig, wir brauchen aber klarere einfache digitale Wege, die eingehalten werden müssen.“ 

Anfangs zeitweise technische Probleme

„Und man muss sich schon Gedanken über den Ausfallschutz beim E-Rezept machen“, fügt er hinzu. In der bundesweiten Einführungszeit des E-Rezepts vor einem Jahr hätten sie vor Ort mindestens zweimal mehrstündige Software-Probleme gehabt: „Da konnten 400 Kunden über alle Filialen nicht beliefert werden“, so Apotheker Götz. Anlass für ihn, den E-Rezept-Ausfallschutz „RED telematik safe“ zu installieren. Der setzt auf ein redundantes System in der Apotheke, das im Bedarfsfall die E-Rezept-Informationen für die nachträgliche Abrechnung per Scan im Warenwirtschaftssystem sichern kann.  Seither hat Robert Götz in all seinen Filialen einen Computer mit Software der Firma RED stehen, ein gesondertes Kartenterminal mit einer zweiten SMC-B der Firma medisign und einen zweiten Internetanschluss. 

Robert Götz, Apotheker

Wir brauchen klarere einfache digitale Wege, die eingehalten werden müssen.

Zusätzlicher Ausfallschutz - eine individuelle Abwägung

Die „Götz Apotheken“ im Einzugsgebiet von München, Freising und Dachau liegen im, wie der Inhaber sagt, „stadtnahen Land“. Da sei angesichts der Konkurrenz, anders vielleicht als in infrastrukturell unterversorgten Gebieten Deutschlands, Reputation alles. Wenn in seinen Apotheken E-Rezepte nicht eingelöst werden könnten, würden die Kunden das nicht verstehen und sich woanders umsehen. Für sie spiele es keine Rolle, ob es an einer der Komponenten der TI-Umgebung oder der DSL-Leitung läge. Da lohne sich für ihn in der Abwägung der zusätzliche Schutz.

Auch Andreas Kuchler, der für seine primäre TI-Anbindung und sein Warenwirtschaftssystem WINAPO 64 von CGM LAUER nutzt, hat sich für den RED telematik safe Ausfallschutz mit einer doppelten IT- bzw. Telefon-Lösung von anderen Anbietern entschieden – „eine Risikoabwägung“, wie er sagt, angesichts der Kritischen Infrastruktur in der Apotheke. Auch Kuchler hat in der Anfangszeit der E-Rezepts Erfahrungen mit Problemen gemacht und überschlagen, dass er über alle seine Apotheken hinweg 30 Stunden lang keine E-Rezepte einlösen konnte. Ihm war es wichtig, alles absichern zu können, was „auf seiner Seite“ ausfallen könnte. 

Redundante Sicherung

Jochen Brüggemann, Geschäftsführer der RED Medical Systems GmbH, führt aus, warum das für seine Kunden relevant ist: „Ein Ausfall kann 1.000 bis 2.500 Euro Verlust am Tag für die Apotheke bedeuten.“ Sein Dienst sei eine Art „Mikro-Warenwirtschaftssystem“, das cloudbasiert und datenschutzkonform auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und eine Doppelstruktur mit eigenen Kartenterminals setze. Gespeichert würden die E-Rezept-Daten sicher im Rechenzentrum. Von dort könnten sie nach einem Ausfall an die Software der Apotheke per Barcode und somit an den Fachdienst fürs E-Rezept übermittelt werden. Bislang nutze, so Brüggemann, eine dreistellige Zahl an Apotheken seinen Ausfallschutz. Ein freiwilliges Angebot für die Apotheken.

Für Andreas Kuchler und Robert Götz eines, das sich für sie lohnt, gerade weil sie in ihren Apotheken viele E-Rezepte einlösen und sich doppelt absichern möchten. 

Jochen Brüggemann bietet ein, wie er sagt, "Mikro-Warenwirtschaftssystem" an.

Mehrere Anbieter für Ausfallschutzlösungen

RED ist nicht das einzige Unternehmen, das einen Ausfallschutz beim E-Rezept anbietet. Die konkreten technischen Prozesse funktionieren unterschiedlich. Anbieter von Apothekenverwaltungssystemen wie beispielsweise Pharmatechnik („IXOS.Backup PRO“) oder Noventi („eSicherheitskonzept“) stellen ebenfalls Ausfallschutzlösungen bereit.

Medikamentenversorgung grundsätzlich gesichert

Dass Menschen nicht mit ihren Medikamenten versorgt werden könnten, wenn es technische Ausfälle an einer Stelle im System gibt, war und ist unabhängig von diesem speziellen Ausfallschutz aber auch nicht der Fall. Bei der Einführung des E-Rezeptes wurden die Szenarien grundsätzlich mitgedacht: Wenn in einer Praxis die Ausstellung eines E-Rezepts aufgrund einer technischen Störung oder eines nicht einsatzfähigen Heilberufsausweises nicht möglich ist, darf die Ärztin oder der Arzt als Ersatzverfahren das Muster 16 anwenden, also das frühere Papierrezept. Können Patientinnen und Patienten aufgrund eines technischen Ausfalls in einer Apotheke ihr E-Rezept nicht einlösen, müssten sie sich in der Praxis ein solches Ersatzrezept holen. 

Stand: März 2025


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